Auf ein Wort – der monatliche geistliche Impuls
Unter diesem Stichwort können Sie ab diesem Monat einen Impuls finden, der zum Nachdenken und vor allem zum Nachleben anregen soll.
Die spirituellen Impulse sollen den eigenen Gedanken auf die Sprünge helfen und zur Inspiration, zur Stärkung und auch zum Trost verhelfen. In vielfältigen Perspektiven und mit unterschiedlichen thematischen Stichworten wird das glaubende Vertrauen als Grund und Ziel menschlichen Lebens beschrieben, damit die Möglichkeit glücklichen und gelingenden Leben wirklich werden kann.
Im Laufe der Zeit wird sich ein Fundus solcher spirituellen Impulse ansammeln, der zum Stöbern einlädt und ggf. zur eigenen Vergewisserung führt.
»Nie wieder« ist Jetzt!
Im November 2023 treffen sich führende Mitglieder der rechtsextremen Szene und AfD-Mitglieder in einem Hotel in der Nähe Potsdams. Dort wird beschönigend »Remigration« genannt, was Massenvertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland meint. Das Bekanntwerden dieses Treffens, hat bundesweit eine Welle des Protestes ausgelöst.
Seitdem ist die bislang eher schweigende »Mitte der Gesellschaft« aufgewacht. Menschen begeben sich zu hunderttausenden auf die Straßen, um ihren entschiedenen Widerstand gegen die menschenverachtenden Haltungen rechter Gruppen und der AfD zum Ausdruck zu bringen – Gott sei Dank, endlich!
Das eigene Schweigen gegenüber sozialer Ausgrenzung und Missachtung der Würde aller Menschen bringt viel Schlimmes ein: Es verhilft, dass andere noch viel lauter schreien.
Das ist keine neue Erkenntnis. - »Alles, was das Böse braucht, um zu obsiegen, sind gute Menschen, die nichts tun.« sagte irisch-britische Staatsphilosoph Edmund Burke.
Es steht nichts weniger als die grundsätzliche menschliche Frage auf dem Spiel: Wie wollen wir leben? In einer demokratischen Ordnung, die auf Freiheit, Gleichberechtigung und Respekt der Würde aller Menschen aufgebaut ist oder unter einem Neonaziregime, das alle Unliebsamen mit den Füßen tritt?
Jetzt seinen Protest aktiv kundzutun, bedeutet leibhaftig und tatkräftig für den Zusammenhalt aller Menschen in unserer Gesellschaft einzustehen und nicht stillhaltend abzuwarten, dass die AfD immer weiter Zulauf gewinnt. Es wäre am Ende die Abschaffung der Demokratie mit ihren eigenen Mitteln.
»Was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihr ihnen zuerst.« (Mt. 7, 12) Wie diese Worte Jesu bleibt der Satz Erich Kästners wahr: »Es gibt nichts Gutes / außer man tut es.« Um bunt, offen und menschlich zu bleiben, reicht eine Demonstration nicht aus. Wir müssen es zu einer tätigen Haltung in unserem Alltag werden lassen. Es soll nicht das »letzte Aufgebot« gegen rechts sein, sondern das erste!
Wir sind gewarnt! »Nie wieder« ist Jetzt!
Andreas Bader, Pfarrer
Von der existenziellen Bedeutung der Stille
»Was wir tun können – wenn auch im neuen Jahr die Dinge Überhand nehmen« Von der existentiellen Bedeutung der »Stille«
Oft wenn ich morgens aufwache, sind sie schon da ‑ die Gedanken: Was steht heute an? Was ist zu erledigen? Was muss ich tun? Häufig sind dann die Gedanken mit Sorgen verbunden: Werde ich das schaffen? Habe ich die nötige Kraft dazu? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein und welche müsste ich erfüllen, damit …? ‑ Also: »Guten Morgen, liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? – Habt ihr gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar.«
Die Gedanken kreisen um sich selbst, geben sich gegenseitig die Hand, wollen mich in ihnen verstricken … und die Sorgen werden größer, Ängste bekommen besonderes Gewicht – manchmal bleischwer erdrückend. Niemand schafft es so, glücklich zu werden. So kann auch ein produktives Arbeiten nicht geschehen.
Aber wie den Gedanken Einhalt gebieten? »Stopp!« sagen. Das Kreisen unterbrechen. - Gar nicht so einfach, wenn man glaubt, an der Lösung der aufgeworfenen Probleme hinge doch alles Vorankommen. Dann bin ich sofort zurück im Gedankenkreisen.
Was mir tatsächlich hilft ist, mich auf das Jetzt zu konzentrieren. Jetzt schlage ich die Bettdecke zurück. Jetzt setze ich einen Fuß nach dem anderen neben das Bett. Jetzt setze ich mich auf die Bettkante. Jetzt stehe ich auf …und so fort. Nichts anderes als dieses Jetzt – die bloße Gegenwart – Atemzug um Atemzug. – Vergangenes ist vergangen, Zukünftiges ist noch nicht.
Im Jetzt der Gegenwart komme ich zu mir und zur Ruhe. Ich erlebe, dass ich frei bin zu entscheiden, was ich tun werde. Ich kann mit den anliegenden Dingen umgehen, und eins nach der anderen Schritt für Schritt in Angriff nehmen.
Will ich jedoch in mir zur Ruhe und in die Stille kommen, muss ich wissen, wie das geht. Mir persönlich helfen Meditationsübungen: Das Sitzen in der Stille. QiGong-Übungen zur körperlichen Zentrierung und geistigen Beruhigung. Die Konzentration auf die bloße Gegenwart des Atems. Bei anderen ist es das abendliche Radfahren oder mit dem Trecker das Land bestellen. Hier kann man sich selbst mit allen Gedanken und Sorgen loslassen und sein lassen. Ich „bekomme den Kopf frei“, bin wach und gegenwärtig.
Niemand hat die Sehnsucht nach Stille so schön ausgedrückt wie Rainer Maria Rilke:
Wenn es nur einmal so ganz still wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen ...
Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken
und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.
Für mich ist die Stille der Schritt in das bedingungslose Vertrauen zu Gott. Ich stelle mich in seine Gegenwart und erlebe ihn als den immer tragenden Grund, in jedem Moment meines Alltags.
»Stille« bedeutet nicht bloß „Schweigen“ und nicht allein die „Abwesenheit von Lärm“, sondern dass die eigenen Gedanken-Geräusche verebben. In mir selbst zur Ruhe und Rast zu kommen, heißt: Ich komme zu Gott, in seinen Frieden – Grundvoraussetzung für ein gelingendes und glückliches Leben, das ich an andere verschenke, wie einen Dank.
Jesus sagte in seiner Bergpredigt: »Sorgt nicht um eurer Leben!« Die beste Zeit, sich keine Sorgen zu machen ist »Jetzt«! – in meiner Gegenwart, in der Gott zugleich anwesend ist.
Die Möglichkeit innerlich zur Ruhe und Rast zu kommen, habe ich immer, wenn ich mich auf die »Stille« einlasse auch im Neuen Jahr 2024.
- Andreas Bader, Pfarrer
Der schweigende Josef - Von der Kraft weihnachtlicher Stille
Er ist meine Lieblingsfigur in der Krippe zu Weihnachten 2023. Ein Mann, der mitten im Geschehen der Heiligen Nacht steht, ganz nahe bei Maria und dem Kind. Oft hält er in den Darstellungen eine Laterne in der Hand. Er beleuchtet das geheimnisvolle Geschehen, damit gesehen und erkannt wird, was da passiert. Aber er redet nicht, verharrt im Schweigen und in der Stille. Er ist vielleicht gerade auf diese Weise ganz und gar eins mit dem Ereignis.
Ich meine Josef, den Heiligen aller Randfiguren. Bräutigam der Gottesmutter. In der ganzen Bibel ist kein einziges Wort von ihm überliefert. Sein Schweigen beruhigt mich - angesichts des Übermaßes der Schreckensnachrichten, die jeden Tag mit neuen Zahlen der Todesopfer der Kampfhandlungen in aller Welt, mit der verzweifelten Situation der Flüchtlinge in Gaza, mit der finanziellen Schieflage unseres Staates beginnen und enden lassen. – Josef, seine Stille, seine Ruhe berühren mich.
Josef ist kein tatenloser Statist. Er ist ein Mann der Tat, der praktischen Hilfe: Er organisiert die Reise von Nazareth nach Bethlehem unter weit schwereren Bedingungen als sie heute gegeben sind. Angesichts der wegen Überfüllung geschlossenen Hotels bringt er seine schwangere Verlobte, zwar nicht besonders komfortabel, aber doch sicher in einem Stall unter. Und als Maria ihr Kind zur Welt gebracht hat, steht er ihr weiterhin helfend zur Seite. Er sucht keine dankbare Anerkennung, sondern tut einfach und spontan, was notwendig ist.
Von der Hilfsbedürftigkeit Marias damals und Josefs Handlungsbereitschaft ist in einem alten Weihnachtslied vom Anfang des 15. Jh. die Rede: »Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir wiegen das Kindelein!/ Gott, der wird dein Lohner sein/ im Himmelreich,/ der Jungfrau Sohn Maria.« - Und Josef hilft, ohne viele Worte, schweigend, praktisch. – Die Worte der 2. Strophe des Liedes wird er kaum laut gesprochen haben, sondern schlicht getan haben: »Gerne, liebe Muhme mein, /helf’ ich wiegen dein Kindelein, / Gott, der wird mein Lohner sein /im Himmelreich,/ der Jungfrau Sohn Maria.«
Weihnachten 2023 ist Josef mein Vorbild. In der Ruhe, die aus der Stille kommt, handelt er, tut er, was getan werden muss. Er tut es ‚gerne‘, ohne zu zögern, weil es notwendig ist. Nicht allein das Wiegen, nicht allein das Schützen der Familie, er trägt auch die Verantwortung bei der späteren Flucht nach Ägypten, um den Häschern des Königs Herodes zu entrinnen, die jede männliche Neugeburt töten wollen. Josef zeigt Rückgrat.
Die Kraft dafür kommt aus der Stille. In ihr hört er Gottes Wort, das Geheimnis von Weihnachten: Christus ist in seinem Leben »Fleisch« geworden. In seinem Tun gibt er davon ein lebendiges Zeugnis.
»Der lebendige Drang dieses Wortes geht dahin, Fleisch zu werden, Fleisch zu werden in uns. Und wenn wir so von ihm bewohnt sind, dann sind wir dafür geeignet, Zeugen zu werden.« schreibt Madeleine Debrêl.
Josef ist diesem Drang in schwerer Zeit gefolgt. Er hat die Botschaft von Weihnachten in Ruhe und praktisch verwirklicht und ist damit zum Zeugen der Verkündigung des Engels geworden: »Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Retter geboren.«
Wer dem Beispiel Josefs folgt, macht aus der Kraft der Stille Weihnachten praktisch. Ist Weihnachten 2023 nicht die beste Gelegenheit dazu? Und könnte es einen größeren Segen für unsere gegenwärtig so bedrohte Welt geben?
In diesem Sinne wünsche ich euch allen: Gesegnete Weihnachten! Seid Gott befohlen und bleibt behütet.
Andreas Bader, Pfarrer