Warum zahlen wir Kirchensteuer?

Kölner Stadtanzeiger: Der neue Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, ist offen für eine Neuordnung der öffentlichen Finanzierung für die Kirchen aus den "Staatsleistungen", die auf Besitzverluste vergangener Jahrhunderte zurückgehen. …………….

Das Grundgesetz sieht eine Neuregelung der Staatsleistungen für beide großen Kirchen, die jährlich mehrere hundert Millionen ausmachen, ausdrücklich vor. Vehement verteidigte Rekowski die Einziehung der Kirchensteuer durch die Finanzämter. Er verstehe die Debatte nicht, die derzeit darüber geführt wird. "Das Einziehen der Kirchensteuer durch die Finanzämter ist eine Dienstleistung, für die wir bezahlen, und zwar durchaus kostendeckend. Müssten wir es selbst tun, würde es teurer, zugegeben, weil wir eine eigene neue Infrastruktur bräuchten. Aber mit unserem Beitrag refinanzieren wir vermutlich einen Teil der Fixkosten der staatlichen Finanzverwaltung." Was daran so schrecklich sein soll, wisse er nicht. "Das Ganze ergibt nur Sinn, wenn man auf eine radikale Trennung von Kirche und Staat hinauswill."

Die staatliche Mitfinanzierung kirchlicher Wohlfahrtsangebote liege im öffentlichen Interesse, betonte der Präses, der an der Spitze von mehr als 2,7 Millionen evangelischen Christen steht. "Die Kirchen erfüllen hier Aufgaben für das Gemeinwesen - genau wie das Rote Kreuz oder die Arbeiterwohlfahrt. Mit dem, was wir aus den Kirchensteuern unserer Mitglieder in die Arbeit immer auch selbst einbringen, subventionieren wir also Aufgaben, die der Staat sonst voll aus eigener Tasche zahlen müsste."

Mit Blick auf die öffentliche Wahrnehmung seiner Kirche strebt Rekowski nach eigenen Worten ein geschlosseneres Bild an. "Unsere dezentrale, basisorientierte Verfassung darf nicht zu einer atomisierten Außendarstellung führen. Mit 739 selbstständigen Kirchengemeinden, von denen manche nicht immer vor Augen zu haben scheinen, dass die Kirche Jesu Christi weiter reicht als der Schatten des eigenen Kirchturms, haben wir da sicher noch Luft nach oben". Als seine vordringliche Aufgabe bezeichnete es Rekowski gleichwohl, dass sich die von einem Finanzskandal erschütterte rheinische Kirche "nach innen neu sortiert". Darum wolle er sich "jetzt besonders intensiv kümmern, damit ich mich nicht mehr dauerhaft damit beschäftigen muss."

Das Wirken nach außen, die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat, bleibe wesentlich. "Mein Bild von Kirche ist nicht das Kreisen um sich selbst", sagte Rekowski. „Wer austritt, da sind die Protestanten nicht ganz so knallhart, verliert zwar nicht den Anspruch auf das Abendmahl, aber auch auf die kirchlichen Amtshandlungen wie Taufe oder Hochzeit. Auf das kirchliche Begräbnis? Hängt vom Pfarrer ab.“(aus zeit-online) „Die Kirchensteuer ist in Deutschland die weitaus wichtigste Einnahmequelle, mit der die großen Kirchen ihre Arbeit finanzieren. Die Kirche ist eine Solidargemeinschaft, in der die finanzielle Last möglichst gerecht auf viele Schultern verteilt wird.

Leitender Grundsatz der Kirchensteuer ist eine möglichst große Steuergerechtigkeit: Die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines jeden Mitglieds wird berücksichtigt, die Kirchensteuer ist an die Lohn- und Einkommensteuer gebunden. Wer mehr verdient, zahlt mehr Steuer und damit mehr Kirchensteuer – und umgekehrt. Die Mitglieder leisten auf diese Weise einen finanziellen Beitrag zum Leben ihrer Kirche…………….Kirchensteuersysteme bestehen auch in Dänemark, Finnland, Schweden, Island und Kantonen der Schweiz. In Norwegen wird die Kirchensteuer in ähnlicher Form erhoben.“ www.evangelisch-in-westfalen.de/wir-ueber-uns/k/kirchensteuer/warum-kirchensteuer.html

Laut Grundgesetz und Weimarer Verfassung sind Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ darstellen, berechtigt, Steuern zu erheben. In Deutschland wird die Kirchensteuer von den Finanzämtern eingezogen, die dafür eine Aufwandsentschädigung erhalten. Der Reichsdeputationshauptschluss war das letzte bedeutende Gesetz des Heiligen Römischen Reiches. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde den weltlichen Fürsten des Reiches eine Entschädigung für die im Frieden mit Frankreich (Lunéville 1801) besiegelte Abtretung ihrer linksrheinischen Gebiete (an Frankreich) zugesichert.

Diese Entschädigung bestand in den weltlichen Gütern der Kirchen. Mit der damals allen staatlichen Behörden eigenen umsichtigen Sparsamkeit begannen diese nach 1803, die kirchlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Für einige Zeit kamen sie auch leidlich damit zurecht. Doch die finanziellen Aufgaben der Kirche wuchsen: Die Bevölkerungszunahme, die beginnende Industrialisierung und das Entstehen großer Städte stehen dahinter. Angesichts dieser und anderer Einnahmeminderungen wurde den Kirchen das Besteuerungsrecht anfangs aufgezwungen, um sich staatlicherseits zu entlasten

So begann 1827 in Lippe-Detmold die Einführung der Kirchensteuer, es folgten 1831 Oldenburg, 1835 die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, 1838 Königreich Sachsen, 1875 Großherzogtum Hessen, 1888 Baden, 1892 Königreich Bayern und 1905/1906 das übrige Preußen. Die Einrichtung der Kirchensteuer erfolgte also auf Initiative des Staates und war von ihrem Ursprung her nur als zusätzliche Hilfsquelle für besondere Aufgaben einer einzelnen Gemeinde gedacht. Mit dem Ziel, zu einer Selbstfinanzierung der Kirchen und dementsprechend zu einer stärkeren Entflechtung von Staat und Kirche zu kommen, wurden landesweit Kirchensteuern eingeführt, etwa 1875 in Preußen, 1887 in Württemberg und 1912 im Königreich Bayern.

1919 wurde die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. Die einzelnen Bundesländer haben eigene Kirchensteuergesetze erlassen.Der Kirchensteuersatz beträgt derzeit (2011) in Bayern und Baden-Württemberg 8 %, in den übrigen Bundesländern 9 % der Einkommensteuer. Auch im Rahmen der Kapitalertragsteuer wird die Kirchensteuer mit 8 % bzw. 9 % berücksichtigt. Die gezahlte Kirchensteuer ist gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbar. Je nach Landeskirche bzw. (Erz-)Bistum machen die Kirchensteuereinnahmen zwischen 60 und 85 % des jeweiligen Haushalts aus. Auf den Gesamthaushalt bezogen, weisen die Landeskirchen bzw. (Erz-)Bistümer folgende Ausgabenposten auf (Angaben gerundet): Evangelische Kirche Personalkosten: ca. 70 %, Sachkosten, Verwaltung: ca. 10 %, Kirchenbauten: ca. 10 %, Schule, Bildung, Soziales und Karitatives: ca. 10 %. Das Kirchensteueraufkommen der Evangelischen Kirche lag 2011 bei 4380,0 Milionen Euro.

Die Kirchensteuer in der Kritik

Die Kirchensteuer aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument der Kirchenfinanzierung an sich als auch auf eine Reihe ihrer Auswirkungen und die Folgen ihrer Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein. Sie steht in Zusammenhang mit sonstigen Staatsleistungen an die Kirchen. Kritik aus staatskirchenrechtlicher Perspektive Das Kirchensteuerprivileg widerspreche der festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates. Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiere andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus anzugeben. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen. Die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer und der dadurch verbundene Steuerverzicht des Staates stelle eine erhebliche Subvention der Kirchenmitglieder und damit mittelbar der Kirche dar.

Dieser Kritik wird von kirchlicher Seite entgegengehalten, dass die kirchliche Arbeit zu einem großen Teil auch Konfessionslosen oder Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zugutekäme und in ihrer Wirkung nicht auf Mitglieder beschränkt sei. Kritik aus innerkirchlicher Perspektive Von kirchlichen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte[11] angeführt: Der Steuercharakter dieser Finanzquelle verschleiere, dass es sich bei ihr um einen persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt. Der staatliche Einzug der Kirchensteuer lasse die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.

Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer lasse die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Nur ungefähr ein Drittel der Kirchenmitglieder trage per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei. Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstige und verfestige bestimmte Kirchenstrukturen, die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung einer gesamtkirchlichen Bürokratie. Auch werden die einzelnen Gemeinden nicht aufgrund der Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder finanziert bzw. unterhalten. Das Personal der Gemeinde müsse sich daher nicht um die finanzielle und organisatorische Ausstattung der Gemeinde kümmern. Die Einrichtung der Kirchensteuerkappung bevorzuge Besserverdienende ungerechtfertigt. Innerhalb der evangelischen und der katholischen Kirche war und ist die Kirchensteuer jedoch weitgehend unumstritten, da das System eine verlässliche und umfangreiche Finanzierung der kirchlichen Arbeit ermöglicht. Die Kritik aus innerkirchlicher Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Horst Herrmann, in neuerer Zeit Paul Zulehner) und von verschiedenen kirchenkritischen Gruppen vorgetragen, dem „Bensberger Kreis“, dem „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e. V.“, der „Initiative Kirche von unten“, Ikvu, dem „Arbeitskreis Halle“ und der „Kirchenvolksbewegung“ bzw. „Wir sind Kirche“. Auf evangelischer Seite war es zum Beispiel der „Bund gegen Kirchensteuermissbrauch e. V. Bremen“. Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet („Kultursteuer und Sozialsteuer statt staatlicher Kirchensteuereinzug“), Karl Martin hat diesen Vorschlag in seiner Publikation „Abschied von der Kirchensteuer“ vorgestellt.

Martina Hitzler

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